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die englische Sprache im 12. 13. und 14. Jahrhundert, wie die erhaltenen Denkmäler zeigen, in eine Menge Dialekte gespalten. Fast jede Grafschaft hat ihre eigene Sprache und Schreibweise. Die lange Sonderentwickelung hatte zur grössten Mannigfaltigkeit der Laute und Formen geführt, wobei freilich nicht zu vergessen ist, dass im Altenglischen schon verschiedene Dialekte vorhanden waren, die ohne ein bindendes Element, welches die verschiedenen Stämme hätte einigen oder wenigstens einander näher bringen können, später in immer grössere Zerklüftung ausarten mussten. Allerdings hat das Altenglische schon eine Schriftsprache hervorgebracht, welche grosse Verbreitung fand. Das Westsächsische hatte bekanntlich damals die Führerschaft übernommen. Allein die Eroberung Englands durch die Normannen schnitt den Faden der Entwickelung ab.

Erst im 15. Jahrhundert waren wieder die Bedingungen für das Emporkommen einer allgemeinen Schriftsprache gegeben. Und diesmal trat kein gewaltsames Hindernis in den Weg; im Gegenteil, alles vereinigte sich, um den Zug der Entwickelung zu beschleunigen. Wie in Frankreich und Spanien die sprachliche Uniformierung von der Hauptstadt des Landes ausging und der Dialekt der Isle de France und Kastiliens Norm in Schrift und Rede für die anderen Provinzen wurde, so war auch London, die politische und geistige Hauptstadt des Landes, dazu berufen, in sprachlichen Dingen Vorbild und Muster zu werden. Von dem Augenblicke an, wo die französische Schriftsprache allmählich zu weichen begann und das Englische als Sprache des privaten und offiziellen Schriftverkehrs sich Geltung verschaffte, musste London, der Sitz der Regierungsgewalt und obersten Gerichtshöfe, das Centrum des englischen Handels und Verkehrs, wo die weitverzweigten Fäden des gesammten Königreichs in eins zusammenliefen, auch auf sprachlichem Gebiete die leitende Stellung einnehmen und das Uebergewicht seines Einflusses geltend machen 1). Wir können diesen Entwicklungsgang der englischen Schriftsprache an der Hand von Urkunden thatsächlich nachweisen. Dieselben zeigen uns auf das unzweideutigste, wie die Sprache Londons, welche wir von den

1) Aehnliches gilt auch von der Schule. In London wurden zahlreiche Jünglinge auch aus anderen Teilen Englands erzogen. v. die interessante Stelle in der Petition der „schoolmasters in London" vom Jahre 1447 (Rot. Parl. V. s. 137): And for asmuche as to the Citee of London is the commune concours of this lond, wherin is grete multitude of younge peple, not oonly borne and brought forthe in the same Citee, but also of many other parties of this lond, som for lake of Scole maistres in thier oune Contree, for to be enfourmed of gramer there, and som for the grete almesse of Lordes, Merchauntz and other, the which is in London more plenteuosly doon, than in many other places of this Reaume, to such pouere Creatures as never shuld have be brought to so greet vertu and connyng as thei have, ne hadde hit ben bi the meane of the almes abovesaid. achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts bis auf Caxton und weiter durch zahlreiche Urkunden verfolgen können, allmählich die übrigen Dialekte verdrängte. Dieser Einfluss macht sich natürlich zunächst in den der Hauptstadt benachbarten Grafschaften geltend, um dann in verhältnismässig kurzer Zeit sich über sämmtliche englische Grafschaften zu verbreiten. Namentlich von dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts an ist der Einfluss Londons so stark, dass von dialektisch geschriebenen Urkunden in strengem Sinne kaum noch die Rede sein kann. Ueberall finden wir die Laute und Formen der Hauptstadt. Freilich brechen dialektische Eigentümlichkeiten noch allenthalben hervor; auch haben einige Urkunden späterer Zeit noch starke dialektische Färbung, namentlich Urkunden aus solchen Gegenden, die ihrer geographischen Lage wegen dem Einflusse Londons weniger zugänglich waren. Es zeigt dies alles, wie sehr man bemüht war dem Vorbilde der Hauptstadt nachzukommen, was nicht überall in gleichem Masse gelingen konnte 1).

Ein günstiger Umstand für die Verbreitung der Londoner Sprache war ohne Zweifel die schriftstellerische Thätigkeit Chaucer's, eines geborenen Londoners. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass Chaucer die englische Schriftsprache geprägt und ihr die Verbreitung gesichert habe. Wohl hat er zu ihrer leichteren Verbreitung beigetragen, doch hüte man sich diesen Einfluss zu überschätzen. Wenn auch selbst schottische Dichter wie Jacob 12). und Gawin Douglas3), die sich Chaucer zum Vorbilde nahmen, sich von seinem Dialekte beeinflussen liessen, so ist noch kein Grund vorhanden anzunehmen, dass Chaucer's Einfluss auf die Schriftsprache des allgemeinen Verkehrs ein bedeutender gewesen sei3). Die Londoner Urkunden aus den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts, einer Zeit, in welcher von einem besonderen Einfluss von Chaucer's Schriften auf die Sprache der Zeitgenossen durchaus noch nicht die Rede sein kann, zeigen schon vollkommen den Typus der neuenglischen Schriftsprache. Von da ab ist die Entwickelung eine stetige und in derselben Richtung fortschreitende, durch kein anderes Element unterbrochene gewesen. Auch wenn Chaucer seine unsterblichen Werke

1) Mehr Licht über diesen natürlichen Entwickelungsgang der Schriftsprache in England wird meine Sammlung mittelenglischer Urkunden verbreiten. Es lässt sich eben eine genaue Darlegung dieser Verhältnisse unmöglich geben ohne stete Bezugnahme auf den Text der einzelnen Urkunden selbst.

2) v. Chaucer's Influence upon King James I. of Scotland as Poet. Diss. by Henry Wood. Halle 1879. 3) Chaucer's Einfluss auf die Originaldichtungen des Schotten Gawin

Douglas. Diss. von P. Lange. Halle 1882.

4) Ich sehe hier sowie im folgenden natürlich von dem Einfluss, den Chaucer in syntaktischer und stylistischer Hinsicht auf die engl. Sprache ausgeübt hat, gänzlich ab.

nicht geschrieben hätte, so würde die Entwickelung der englischen Schriftsprache ganz denselben Weg genommen haben. Näheres über diesen Punkt sowie andere den Entwickelungsgang der Schriftsprache beeinflussende Momente sollen im letzten Kapitel zur Sprache kommen.

III. Kapitel.

Uebersicht über die ältesten Quellen des Londoner Dialekts sowie über die gleichzeitigen englischen Staats- und Parlamentsurkunden.

Ich habe mich im folgenden Kapitel nicht darauf beschränkt, ausschliesslich eine Darstellung des Londoner Dialekts nach den ältesten Quellen zu geben, sondern habe auch die Sprache der gleichzeitigen englischen Staats- und Parlamentsurkunden in den Bereich der Untersuchung gezogen. Da von den letztern a priori nicht vorauszusetzen ist, dass sie in ebendemselben Dialekt wie die Londoner Urkunden geschrieben seien, so sind die 3 Klassen Urkunden getrennt behandelt und ihre Sprache mit einander verglichen worden, ein Problem, dessen Resultat im letzten Kapitel besprochen ist. Die 3 Klassen Urkunden sollen nun zunächst im einzelnen aufgeführt und besprochen, sowie Begriff und Grund der Einteilung der verschiedenen Klassen festgestellt werden.

Was den terminus ad quem betrifft, bis zu dem ich den Londoner Dialekt und die Sprache der gleichzeitigen Staats- und Parlamentsurkunden von den ältesten uns erhaltenen Quellen an behandelt habe, so bin ich nicht über das Jahr 1430 hinausgegangen. Da die ältesten Urkunden aus den achtziger Jahren des 14. Jahrh. stammen, so umfasst meine Darstellung etwa einen Zeitraum von 50 Jahren. Nur bei der Benutzung der Testamente in der Furnivall'schen Sammlung habe ich den angegebenen Zeitpunkt überschritten, weil ich die bequeme Ausbeutung derselben mir nicht entgehen lassen wollte. Von dem Zeitpunkte an, wo meine Darstellung abbricht, fliessen die Quellen immer reichlicher. Die fernere Entwickelung der englischen Schriftsprache bis auf Caxton und weiter darzustellen, lag ausser dem Zwecke der vorliegenden Arbeit.

A. Londoner Urkunden.

Bei der Auswahl des Materials sind folgende Gesichtspunkte massgebend gewesen. Die nicht speziell auf die Londoner Urkk. bezüglichen Bemerkungen gelten auch für die beiden andern Klassen Urkunden.

1) Nur genau datierte (oder genau zu datierende) Urkunden lassen die Sprache einer bestimmten Zeit erkennen.

2) Nur solche Urkunden durften als Repräsentanten der Londoner Sprache betrachtet werden, welche nachweislich in London geschrieben sind. Doch war auch hier eine strenge Musterung geboten. Denn nicht jede Urkunde, welche in London geschrieben ist, muss notwendigerweise auch die Sprache Londons enthalten. Es ist hier zweierlei zu unterscheiden, nämlich erstens, wer der Aussteller oder Urheber, und zweitens, wer der Verfasser oder Konzipient der Urkunde gewesen ist.

Sind Aussteller und Konzipient beide in einer Person vereinigt, so muss die Herkunft des Ausstellers ermittelt werden. Nur wenn dieser ein Londoner war, kann die Urkunde uns hinreichende Bürgschaft für die Aechtheit der Londoner Sprache geben. Es kann nämlich der nicht seltene Fall vorliegen, dass Beamte oder sonstige Personen aus der Provinz in die Hauptstadt gezogen sind und daselbst eine Urkunde mit dem Ortsdatum „London" konzipieren. Es ist dann nur zu natürlich, dass diese Leute entweder zum Teil oder ganz den Dialekt ihrer ursprünglichen Heimat wiedergeben. Dies lässt sich auch an solchen Urkunden, die in London von später hinzugezogenen Personen verfasst sind, durchweg nachweisen. So verrät z. B., um nur einiges anzuführen, die Rede des Sir William Thirnyng, in der er dem Könige Richard II. seine Entthronung verkündete (Rot. Parl. III s. 424), sowie das Urteil, welches er im Parlament 1399 gegen gewisse Lords erliess (Rot. Parl. III s. 451 f.), dass der Verfasser aus dem Norden Englands stammt. Eine Reihe nördlicher Formen geben Zeugnis von der einstigen Heimat des Verfassers. Einen analogen Fall bietet uns das Testament Nro. 5 bei Furnivall. Der Testator stammt laut Inhalt des Testaments aus Yorkshire, hat aber später - vielleicht nur vorübergehenden - Aufenthalt in London genommen. Das Testament enthält, trotzdem es in London (v. s. 13/28 bei Furnivall) wahrscheinlich vom Testator selbst geschrieben ist, eine Anzahl nördlicher Formen. Solche Urkunden waren von vornherein auszuschliessen. Doch ist auf der anderen Seite der Nachweis, dass der Aussteller ein Londoner war, häufig mit grossen Schwierigkeiten verknüpft. Nur in einem Falle sprachen alle Umstände so sehr dafür, dass der Aussteller als Londoner zu betrachten sei, dass ich keinen Augenblick gezögert habe, die betr. Urkunde zu verwerten. Es ist die unten näher besprochene Anklageschrift des Thomas Usk.

Die meisten Londoner Urkunden gehören aber zu denjenigen, bei denen Aussteller und Konzipient verschiedene Personen sind. Das ist nicht zu verwundern. Da in der damaligen Zeit bekanntlich nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung schreiben konnte, so wurde die Abfassung der Urkunden von den betreffenden Ausstellern andern des Schreibens Kundigen (Pfarr- und Klostergeistlichen, professionellen Schreibern etc.) übertragen. War ja doch auch für viele Urkunden ein bestimmtes Schema entweder vorgeschrieben oder doch Regel. Doch ist auch bei diesen Urkunden der blosse Nachweis, dass sie in London konzipiert sind, vielfach unzureichend. Da es sich nämlich meist nur vermuten lässt, dass der Aussteller die Urkunde nicht selbst geschrieben hat, so liegt in manchen Fällen immerhin die Möglichkeit vor, dass wir es auch hier mit Urkunden zu thun haben, die wir oben als zwar in London geschriebene, aber doch in Bezug auf den Dialekt nicht massgebende charakterisiert haben. Es sind daher auch hier nur solche Urkunden benutzt worden, deren Aussteller nachweislich Londoner waren. Dieser Nachweis war hier in vielen Fällen mit Sicherheit zu führen. Nur eine berechtigte Ausnahme wurde bei der englisch geschriebenen Petition der italienischen Kaufleute in London gemacht.

3) Originalurkunden haben vor Kopien selbstverständlich mehr als einen Vorzug. Doch sind auch Kopien, wofern sie gleichzeitig und an demselben Ort gemacht sind, als durchaus zuverlässige Denkmäler für die Sprache der betr. Zeit und Gegend zu betrachten. Bei der verhältnismässig grossen Seltenheit von Originalurkunden war die Benutzung solcher Kopien nicht zu umgehen.

Die benutzten Londoner Urkunden sind folgende:

1) Appeal of Thomas Usk (U) made before the Coroner of London, accusing John Norhampton, John More, Richard Norbury, and William Essex, of illegal practices at the election of Sir Nicholas Brember to the office of Mayor. Aufbewahrt im „Public Record Office" zu London (Ex. T. R. Miscellanea 19/33. m. 5). Die Urkunde ist 8 Richard II. (1384/85) datiert und von dem Ankläger mit eigener Hand geschrieben (v. den Eingang). Dass der Verfasser als Londoner zu betrachten ist, geht aus seiner leidenschaftlichen Teilnahme an den damaligen häufigen Parteistreitigkeiten in der Hauptstadt, sowie aus seiner genauen Bekanntschaft mit den obwaltenden Verhältnissen deutlich hervor. Auch die Sprache der sehr umfangreichen Originalurkunde stimmt mit der der übrigen Londoner Urkunden genau überein. Dieselbe wird in meiner Sammlung me. Urkunden veröffentlicht werden. Ob sie in England schon einmal in einer der zahlreichen „Societies" gedruckt worden ist, habe ich nicht ermitteln können.

2) „A Petition from the folk of Mercerye" (M) in London vom Jahre 1386. Originalurkunde. Publiziert in den Rot. Parl. III. s. 225 ff.

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